Vorsätze im letzten Jahr verfehlt? Hier sind die Gründe – und ein ungewöhnlicher Rettungsplan

Marvin Lett

Karrierecoach & Gründer von deinKarriereSprung

«Mein Ziel für 2022 ist es, mein Ziel aus dem Jahr 2021 zu erreichen – welches ich 2020 erreichen wollte, weil ich es mir 2019 gesetzt habe . . . » – damit sind wir beide nicht alleine: 50 von 100 Menschen setzen sich Vorsätze für das neue Jahr. 10 Menschen halten ihre Vorsätze durch – bis zum März. Und nur 8 setzen ihre Vorsätze um.

Doch egal ob zum Anfang des Jahres oder mittendrin, die Gründe fürs Scheitern sind die gleichen. Sind dir diese Gründe unbekannt, wird dein Traum zum Traum eines anderen. Doch kennst du die Gründe, dann kannst du etwas dagegen tun.

Grund #1: Du hast keine Ziele

Warum setzen wir uns selten Ziele und schreiben diese noch seltener auf? Der Grund ist einfach: Setzt du dir Ziele und schreibst du diese auf, erschaffst du eine Jury: du definierst deine Kriterien fürs Scheitern. Und Menschen scheitern ungern. Lieber schlendern wir im Nebel: Wenn wir’s verbockt haben, dann gucken wir weg – und trotzdem haben wir’s verbockt. Kurzfristig vermeidest du mit dieser Strategie Schmerz. Langfristig vermeidest du deine Ziele: Du raubst dir die Chance zu lernen und dich zu verändern.

Mit kleinen Veränderungen entwickelst du Schwung für große Ziele, statt zu versuchen, den ganzen Berg zu versetzen – oder 100 Berge auf einmal.

Um das zu vermeiden, tue folgendes. Fang an, wo du anfangen kannst – und wo du anfangen willst. Am besten mit etwas Kleinem, das du jeden Tag tust. Zum Beispiel der Griff zum Handy nach dem Aufwachen: Ersetze das Handy durch eine Flasche Wasser. Ich weiß, das ist simple – aber nicht einfach: Versuche fünf Tage mit Wasser in den Tag zu starten und nach deinem Handy erst auf dem Weg zur Arbeit zu greifen. Fünf Tage später guckst du der Jury ins Gesicht.

Belügst du sie, belügst du dich . . .

Was hier oft übersehen wird: Mit kleinen Veränderungen entwickelst du Schwung für große Ziele, statt zu versuchen, den ganzen Berg zu versetzen – oder 100 Berge gleichzeitig. Was uns zum zweiten Grund führt.

Grund #2: Du hast zu viele Ziele

Eine Liste mit 20 Zielen ist ein Wunsch, kein Ziel. Die Liste ringt dich zu Boden. Du gibst auf, bevor du angefangen hast – du scheiterst. Trotzdem bist du mit einer Liste weiter als die 50 Menschen vom Anfang, die keine Ziele haben.

Damit die Liste hilft, statt zu hindern, gestalte sie so: drei Spalten – Gesundheit, Beziehungen, Karriere. Schreibe darunter alle Ziele, die dir im Kopf rumschwirren. Jetzt ordnest du die Ziele nach ihrer Wichtigkeit (1, 2, 3, 4, . . .). So entsteht pro Spalte ein Ziel, welches dir am wichtigsten ist. Und jetzt wählst du die Spalte aus, die dir am wichtigsten ist. So bleibt dein wichtigstes Ziel übrig. Ein Ziel – nicht 20, nicht 10, und nicht 3 – ein Ziel.

Und jetzt kommt der Trick: Sagen wir, du hast dich für ‘Gesundheit‘ entschieden, mit dem Ziel ‘Stress reduzieren‘. Um dieses Ziel zu erreichen, fragst du dich: „Welche dummen Dinge tue ich jeden Tag, die gegen dieses Ziel arbeiten?“ Diese dummen Dinge schreibst du links neben dein Ziel. Dann markierst du das dümmste. Stell es dir so vor: Wenn du wüsstest, an welchem Ort du stirbst, würdest du da dann jemals hingehen?

Ich auch nicht.

Stattdessen ersetzen wir das dumme Ding mit etwas Klugem und schreiben es auf die andere Seite:

Links, dummes Ding: Morgens zum Handy greifen. Rechts, kluges Ding: Morgens 0,5 Liter Wasser trinken. Dein Handy rührt dein Hirn zu Brei. Das Wasser füllt dein Hirn mit Schwung.

Nicht wahr?

Glückwunsch! Jetzt hast Du ein Ziel statt zwanzig. Und du hast etwas Dummes durch etwas Kluges ersetzt. Beides steht links und rechts neben deinem Ziel. Die nächsten fünf Tage machst du neben dem dummen und dem klugen Ding einen Strich, je nachdem, wie dein Morgen begann. Und fünf Tage später guckst du der Jury ins Gesicht und stellst fest: „Am ersten Tag habe ich Wasser getrunken! Am zweiten Tag . . .“ – nun ja.

Hier ist der Grund.

Grund #3: Du hast keinen Grund für deine Ziele

So sinnlos eine Liste mit 20 Zielen ist, genauso sinnlos ist ein Ziel ohne Grund. Warum willst du Stress reduzieren?

Formuliere die Frage anders und mach dir Dampf unterm Hintern: Wie wirst du in fünf Jahren sein, wenn dein Stress steigt? Wie beeinflussen diese dummen Dinge deine Ziele für Beziehungen, Gesundheit und Karriere, wenn du die nächsten fünf Jahre so weiter machst? Und was passiert mit deinen Zielen, wenn du die dummen Dinge gegen etwas Kluges ersetzt?

Siehst du den Zusammenhang?

Menschen unterschätzen die Wucht von kleinen Veränderungen und sind geblendet von den großen Träumen.

Erst erzeugen diese Gedanken Stress. Dann Erleichterung: Du gewinnst Kontrolle und verlierst die Furcht vorm Richter. Du ‘drehst dein Ziel um’ und gibst deinem Ziel einen Grund – besser noch: Du gibst der Wasserflasche einen Grund. Deine Gedanken, deine Ziele, ja, womöglich deine Träume, sie bekommen alle einen Grund. Du lässt deine Emotionen für dich arbeiten, indem du sie gegen dich richtest: Deine Ängste schieben dich an und du veränderst dich.

Du schaffst einen Kontrast, einen Vergleich für dein Hirn: Aufstehen, zur Flasche greifen, einen halben Liter Wasser trinken und den ersten Domino umschmeißen, oder: Handy in die Hand, dein Hirn frittieren, und den Tag im Kampf und Fluchtmodus überleben. Beides steht auf deiner Liste. Und beides beeinflusst alle deine Ziele.

Denn Menschen unterschätzen die Wucht von kleinen Veränderungen und sind geblendet von den großen Träumen. Gary Keller beschreibt es treffend in seinem Buch ‘The One Thing’: Stell dir vor, du stellst 57 Dominos in einer Reihe auf. Der erste Domino hat eine Größe von 5 cm. Nun vergrößerst du die folgenden Dominos um das jeweils 1,5 fache (5 cm – 7,5 cm – 11,25 cm – . . .). Dann stößt du den ersten Domino um und löst eine Kettenreaktion aus. Mit dem 57-ten Domino entsteht eine Kraft, die einen Domino umschmeißen kann, der von der Erde bis zum Mond ragt.


Quelle: The One Thing von Gary Keller, Jay Braun

Für unser Beispiel heißt das: Auf die 0,5 Liter Wasser folgt ein Müsli mit Früchten zum Frühstück, statt dem Franzbrötchen mit Zimt und Zucker. Danach folgen Joggen oder Fahrradfahren, statt dem Auto und dem Bus. Womöglich folgt der Gang in Fitnessstudio, wo du deinen Partner findest. Das steigert deinen Selbstwert und die Chance, dass dein Chef dich zum Projektleiter befördert.

Et Voilà!

Das Verrückte: Die Herausforderungen bleiben, aber dein Mut wächst. Du aktivierst ein anderes System in dir; du attackierst die Gefahr, statt dich vorm großen Domino zu fürchten und davon zu laufen.

Doch dazu musst du den ersten Domino umschmeißen; niemand wird es für dich tun. Du musst die dummen Dinge kennen und abstellen, bevor sie in fünf Jahren zum Problem werden. Du musst ehrlich zu dir sein und der Jury ohne Scharm ins Gesicht starren – so wächst dein Mut. Du musst Hindernisse auf dem Weg zum Ziel angreifen, statt Träumen auf deinem Handy hinterherzuträumen.

Nur so erschaffst du deinen Traum – statt zum Traum von jemand anderem zu werden.

Und das allein ist ein guter Grund für deine Ziele.

Marvin Lett

Karrierecoach & Gründer von deinKarriereSprung